Der Heliand-Zweig der Freien Waldorfschule ist der Förderschulzweig für Geistige Entwicklung. Wir, Eltern und Lehrer, tragen diese Schule gemeinsam mit den Kindern und Jugendlichen aus Essen und den umliegenden Städten, die zu uns kommen, um zu lernen, zu arbeiten, zu spielen, zu musizieren – und um Freude an noch vielem mehr zu haben. Das Besondere: Unsere SchülerInnen kommen gern zur Schule.

Die anthroposophische Heilpädagogik kann inzwischen auf einen reichen Erfahrungsschatz von mehr als 90 Jahren zurückgreifen. Ihr wichtigstes Ziel ist die harmonische Entwicklung der Gesamtpersönlichkeit der Kinder und Jugendlichen: Kopf, Herz und Hand sollen dabei gut zusammenstimmen und zum Leben ermutigen. 

Die schulische Ausbildung ist auf zwölf Schuljahre angelegt: Die Unter- und Mittelstufe geht von Klasse 1 bis 8, die Oberstufe von Klasse 9 bis 12.

Leitbild

Als Förderschulzweig für Geistige Entwicklung sind wir ein Teil der weltweiten Bewegung anthroposophischer Heilpädagogik. Der Leitstern unserer Arbeit ist die feste Überzeugung, dass der individuelle Wesenskern jedes Kindes gesund ist – auch wenn unsere Schüler sonst in vielen Bereichen entwicklungsverzögert sind.

Diese Grundhaltung schwingt immer im Hintergrund unserer intensiven Förderbemühungen mit und ist die Basis einer von tiefem Respekt getragenen Beziehung der Lehrer zu ihren Schülern.

Konzept der Unter- und Mittelstufe

Acht Jahre lang begleitet die Klassenlehrerin vom ersten Schultag bis zum Beginn der Oberstufe ihre Klasse. Dabei lernt sie ihre Schüler außerordentlich gut kennen und kann so auf die unterschiedlichsten Entwicklungsbedürfnisse differenziert eingehen. 

Der Unterricht beginnt morgens mit einer Plauderrunde, in der jedes Kind die Möglichkeit hat, zu erzählen, was ihm auf dem Herzen liegt. Jedes Kind will wahrgenommen werden, jedes Kind will kommunizieren und manchem kann dabei mit dem Einsatz von Gebärden, Talkern oder kurzen, von den Eltern geschriebenen Mitteilungen u. ä. geholfen werden.

Sobald alle angekommen sind, beginnt die Lehrerin mit einer sehr zugewandten Form der Begrüßung: Sie grüßt jedes Kind einzeln auf ihrer Leier und jedes Kind grüßt auf seine Art zurück. So entsteht schon in den ersten Wochen ein vertrautes Miteinander, in dem die Klassengemeinschaft zusammen wächst und ein Klima geschaffen wird, in dem sich Einfühlungsvermögen, verträglicher Umgang mit Konflikten und andere Sozialkompetenzen gut entwickeln bzw. gelernt werden können.

Nach dem ruhigen Morgenkreis kommt anschließend die Bewegungslust der Kinder zu ihrem Recht. Rhythmisch-betont gehen, laufen, hüpfen oder springen sie zu Liedern und kleinen Gedichten und lernen dabei auf die schöne Form zu achten, die immer mehr im aufmerksamen Miteinander entsteht. Müde Kinder werden langsam munter und die unruhigen finden mehr und mehr in die gemeinsame Aktion hinein. Diesen Unterrichtsabschnitt nennen wir den Rhythmischen Teil. Auf ihn kann dann der stärker kognitiv ausgerichtete Arbeitsteil im Buchstaben- und Zahlenerwerb, in Naturkunde und Geschichte aufbauen. Aber selbst in diesem Teil kommen nicht nur Tafel und Arbeitsblätter zum Einsatz. Denn auch und gerade hier wollen alle Sinne zum Zuge kommen, damit der ganze lebendige Mensch aktiv teilnehmen und sich entwickeln kann.

Rhythmen spielen bei uns eine zentrale Rolle. Denn das gesunde Herz, unser wichtigster Rhythmusgeber, schlägt fortlaufend und scheint nie müde zu werden. Den Kindern tut es gut, wenn ihr Alltag von Rhythmen geprägt ist.

Rhythmen im Unterricht, aber auch die Tagesrhythmen schaffen Verlässlichkeit, Überschaubarkeit und Sicherheit. Unsere SchülerInnen finden sich schnell darin zurecht und wohl. Mit der Zeit entwickelt sich so ein ruhiges, gleichzeitig lebendiges und anregendes Klima, in dem unsere SchülerInnen ideal lernen können.

 

In ihren halbjährlichen Förderplänen arbeitet die Klassenlehrerin einen individuellen kleinschrittigen Förderplan aus, um ihre SchülerInnen im motorischen, sprachlichen, kognitiven und sozialen Bereich voranzubringen. Im kommunikativen Bereich kann dabei der Einsatz der Deutschen Gebärdensprache, die Einführung von Bildkarten sowie verschiedene Sprachausgabegeräte sehr hilfreich sein.

Die Klassenlehrer erleben ihre SchülerInnen täglich im Kontext der Klasse. Eltern machen zu Hause häufig noch ganz andere Erfahrungen mit ihren Kindern. Beide Lebensbereiche gehören untrennbar zusammen, daher ist eine enge Zusammenarbeit von Eltern und Lehrern für das Kind extrem wichtig. Gespräche, gegenseitige Unterstützung und gemeinsame Aktivitäten sind von unschätzbarem Wert für die Entwicklung unserer SchülerInnen. 

Noch einige abschließende Bemerkungen zum Lehrplan, die für Sie interessant sein könnten:

Wussten Sie, dass der Waldorf-Förderschule der gleiche Lehrplan zugrunde liegt wie der Waldorf-Regelschule?

Entwicklungspsychologisch abgestimmt auf die einzelnen Altersstufen werden einfache Grundzüge des jeweiligen Unterrichtsthemas herausgearbeitet und unseren SchülerInnen bildhaft, handlungsorientiert und konkret erfahrbar vermittelt. 

Auch hier hat sich ein Rhythmus von etwa vier Wochen gut bewährt, in denen die SchülerInnen ein bestimmtes Thema in den ersten zwei Stunden des Schultages gründlicher kennenlernen können. Diesen Rhythmus in der thematischen Gestaltung des Hauptunterrichts bezeichnen wir als Epochen-Unterricht. Pflanzenkunde-, Tierkunde-, Geschichts-Epochen usw. folgen im Wechsel aufeinander und sorgen für Abwechslung – genauso wie der Ablauf des Unterrichts selbst. 

Denn ein Thema wird jeweils mit vielfältigen sprachlichen, musikalischen, künstlerischen Tätigkeiten verbunden und die SchülerInnen werden so in eine reiche Vielfalt von Welt- und Lebensbezügen hineingestellt. Viele lernen dabei das Lesen und Schreiben einfacher Texte. Durch diese umfassende Förderung erwacht mehr und mehr ein echtes Interesse am Leben, an der Welt um uns herum und die freudige aktive Teilnahme daran.

Konzept der Oberstufe

In unserer Oberstufe von Klasse 9 bis 12 (über eine Schulzeitverlängerung wird individuell entschieden) werden neben den allgemeinen schulischen Fächern lebenspraktische Unterrichtsinhalte (wie z. B. der Umgang mit dem PC, die Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel, die Schreibwerkstatt etc.) einbezogen.

Ein weiterer Schwerpunkt ist der Unterricht in verschiedenen Gewerken wie Gartenbau, Handarbeit, Hauswirtschaft, Korbflechten und Holzwerken. Hier können die Schüler grundlegende Einblicke in handwerkliche Tätigkeiten erwerben und vielfältige praktische Fähig- und Fertigkeiten entwickeln.

Ab Klasse 11 (individuell auch schon früher) finden Betriebs- bzw. Werkstattpraktika statt. In enger Zusammenarbeit mit den gemeinnützigen Werkstätten, Kindergärten und immer häufiger auch gewerblichen Betrieben, lernen unsere Schüler die Arbeitswelt kennen, ihre Fähigkeiten praktisch zu erproben und ihre Berufswünsche auf Alltagstauglichkeit zu überprüfen. Die positiven Rückmeldungen von den Praktikumsbetrieben bestärken uns darin, diesen Weg weiter auszubauen.

Inzwischen verfügt unsere Oberstufe über eine eigene Oberstufenband, die sich einmal wöchentlich nach Schulschluss zum Proben trifft. Daneben bieten wir unseren Schülern in jedem Schuljahr einen Tanzkurs an, von dem sie mit großer Freude und sichtlichem Erfolg Gebrauch machen.

Es ist uns ein großes Anliegen, die Schüler auf ihr späteres Arbeits- und Erwachsenenleben vorzubereiten. Durch spezielle Unterstützungsangebote (die Zusammenarbeit mit der Agentur für Arbeit, den Werkstätten, der KoKobe u.a.) begleiten wir die jungen Menschen auf ihrem Weg von der Schule hinaus in die Welt.