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24.03.2020

Homeschoolingreport oder Fräulein Rottenmeiers Hausunterricht

Liebe Lehrer*innen,

ich grüße Sie herzlich von der Homeschooling-Front und berichte aus dem häuslichen Klassenzimmer:

Nach dem Weckappell um 6:45 Uhr, gemeinsamem Frühstück von 7:00 - 7:30 Uhr beginnt der tägliche Unterricht, später als gewohnt (ein bisschen Schlendrian muss sein), um 8:00 Uhr.

Auf dem Programm steht eine Vertretungs-Doppelstunde: Sport/Eurythmie (2x 60 min) für die 3., 7. und 9. Klasse. Die wichtige Aufwärmphase wird in einem leichten Gang runter zum See mit Hund realisiert. Das funktioniert reibungslos und bereitet keine Probleme, denn hier scheint die Sonne, es gibt viel zu sehen und zu entdecken. Das gemeinsame Halten einer Form, wie bei der Eurythmie sonst üblich, scheint hier überflüssig. Besser springt es sich in loser Formation über den Bachlauf, am Wurzelwerk festkrallend, den Lehmhang hinauf und staunend durch Gestrüpp und über die Mountainbike-Strecke, immer höher in den Wald. Der Blick über den See ist atemberaubend, die Ruhe im Wald herrlich. So oder so ähnlich - danach hatten wir uns doch alle so lange schon gesehnt, oder? Einzig die Disziplin lässt allmählich nach und es wird rumgestänkert (also besser doch an die Formation halten?) Ein Picknick im Wald lässt den Zuckerspiegel steigen, und rasch kehrt wieder Frieden ein. Nur der Hund ist weg… Er hat seine Chance genutzt und setzt dem Wild nach. Sauköter!!! ;o)))))

Ab 10:15 Uhr geht es in die neue Schule (an den Esstisch). Gemeinsam, also klassenübergreifend mit Fräulein Mama Kim Rottenmeier, die mit strengem Regiment die Stillarbeit überwacht, wird hier bis 12.15 Uhr an den Email- Hausaufgaben gearbeitet. Erste Mängel bei der Lehrbefähigung von Fräulein Rottenmeier werden bloßgelegt. Fräulein Rottenmeier hatte offensichtlich überhaupt keine Ahnung davon, dass es wenig förderlich ist, die Kinder 120 min am Stück mit Stillarbeit zu beschäftigen. Sie dachte wohl, dass einmal "ruhig geworden sein" auch 120 min. Ruhe bedeutet. Spätestens nach dem dritten Arbeitstag ist auch sie zu dem Schluss gekommen, dass die Struktur angepasst werden muss. Der Unterricht muss wohl aufgelockert werden, Pausen müssen her! Der Arbeitsfluss muss variabler sein .... Puhhhhhhhhh - das "Lehrersein" sollte doch so chillig sein. Fräulein Rottenmeier ist bereits nach 35 min. vollkommen erledigt! Sie dachte, sie könne nebenbei all den verlodderten Papierkram der vergangenen Monate abarbeiten. Und nun muss sie aufpassen wie ein Schießhund, wachsam sein und jeden Blick und jedes Flüstern und Tuscheln (gar Gekicher!) unter den Schülern unterbinden. Da, plötzlich ist einer einfach verschwunden .... Häh, wie geht denn das?! Und die Schüler sind auch noch in 3facher Überzahl! So hatte sich das Fräulein Rottenmeier gar nicht vorgestellt!!!

Wir geben unser Bestes und basteln noch an einer funktionierenden und sinnvollen Struktur. Aber das Wetter lockt nach draußen. Mit dem Damoklesschwert "Hausquarantäne" über uns allen schwebend, habe ich mich dazu entschlossen, dem Aufenthalt im Wald/am See und Fahrradtouren vorrübergehend eine sehr große Priorität einzuräumen.

Pappmappen, welche mit den Wochentagen gelabelt werden sollen, sind bestellt. Jeder Schüler bekommt seine eigene - und dort hinein werde ich die Schulaufgaben, in farbigen Hüllen, nach Prioritäten sortiert einräumen. Es gibt auch für die neuen Fächer (Hausarbeit, Putzen, Reparieren, Kochen, Backen, Bügeln, Wäscheservice, Balkon bepflanzen sowie Fitnessprogramm im Garten und auf dem Hof) eine farbige Hülle. Die neue Schule hier zu Hause sieht die Weiterführung und den Ausbau der Lerninhalte eng an der Praxis orientiert vor  ;o). So behalten wir den Überblick und die Kinder werden sich besser zurechtfinden. Außerdem soll die feste Struktur und viel Beschäftigung für Stabilität sorgen. Neue Dinge erfahren, kreativ werden und die Chancen, die die Situation bietet,  nutzen, das ist jetzt die Strategie! Gar nicht einfach in dieser turbulenten Zeit!!! Für alle von uns. Aber eine riesige Chance, ein neues WIR zu kreieren!

Ich möchte Ihnen an dieser Stelle noch einmal von ganzem Herzen danken! In dieser so schwierigen Zeit sind Sie weiterhin für unsere Kinder da. Weit über das zu erwartende Maß hinaus setzen sie sich für unsere Kinder ein, und das finde ich ganz großartig. Das spüre ich als Mutter und das spüren auch die Kinder. Das stützt und stärkt, auch uns zu Hause.

Wenn ich meine Kinder betrachte, dann sehe ich die Früchte auch Ihrer Arbeit. Es sind wundervolle Kinder, die in ihrer Schule wunderbar begleitet werden. Das spürt und sieht man. Die Kinder fühlen sich sicher und geborgen und meistern dieser Krisensituation auf bewundernswerte Weise. Es ist einfach toll! Sie als Lehrer haben einen so großen Anteil an der Stabilität der Kinder und erhalten diese durch sensibel geschriebene Emails, die nicht einfach nur der Informationsweiterleitung dienen, sondern sich direkt an die Kinder richten. So fühlen die Kinder sich nicht allein gelassen, sondern haben das Gefühl, dass die Lehrer immer noch da sind und in direktem Kontakt mit ihnen, auch wenn sie sie nicht sehen. Das finde ich sehr wichtig für die Kinder. Haben Sie vielen, vielen Dank für Ihre Präsenz und Ihren sehr, sehr persönlichen und menschlichen Einsatz! Sie sind einfach TOLL!!!

Mir persönlich fehlen Sie bereits jetzt, und meinen Kindern auch. Ich wünsche mir für uns alle, dass diese Situation nicht mehr allzu lange anhält und wir alle gesund bleiben.

Halten Sie sich wacker und passen Sie gut auf sich auf!!!

Herzliche Grüße,

Fräulein Kim Rottenmeier (Mutter von 3 Waldorfschüler*innen)