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15.12.2024

Christgeburtsspiel

16.00 Uhr

 

Rudolf-Steiner-Saal


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Liebe Eltern, liebe Ehemalige und Freunde unsere Schule,

 

wir laden Sie herzlich ein, unsere diesjährige Aufführung des Christ-Geburtsspiels zu besuchen.

 

Gewiss, mancher von Ihnen hat dieses Weihnachtsspiel schon einmal oder gar mehrmals gesehen und Sie stellen sich vielleicht die Frage:  Muss es also jedes Jahr wieder dasselbe sein?

 

Ja, das muss es. Denn wir wollen uns gerade durch die Bilder dieses Spiels in jedem Jahr neu auf die christlichen Grundlagen besinnen, aus denen wir unsere Kraft schöpfen.

 

Was hat gerade dieses Weihnachtsspiel anderen noch erhaltenen Weihnachtsspielen voraus?

 

Unter allen Spielen, die aus dem alten Volksgut der deutschsprachigen Landschaften überliefert sind, gehören die Spiele (Paradeisspiel und Christ-geburtspiel) aus Oberufer bei Pressburg unbestritten zu den schönsten ihrer Art; das verdanken sie dem günstigen Schicksal, dass sie bereits etwa gegen Ende des 16. oder zu Beginn des 17. Jahrhunderts von Einwanderern aus deren ursprünglicher Heimat, der Bodenseegegend, nach Oberufer bei Pressburg mitgenommen worden und dort auf der deutschen Sprachinsel Schütt in ihrer ursprünglichen Gestalt unverfälscht erhalten geblieben sind.

 

Die entscheidenden Anregungen zur Einbindung der Oberuferer Weihnachtsspiele in die weihnachtliche Festgestaltung der Waldorfschulen verdanken wir im Wesentlichen Rudolf Steiner, der die Spiele seinerseits von seinem Lehrer und Freund Karl Julius Schröer (1825-1900), dem Wiener Literaturwissenschaftler und Volkstumsforscher, erhalten hat.

 

Steiner ließ die inhaltliche Substanz der Spiele unangetastet. Spielart und Aufführungspraxis aber änderte er in wesentlichen Punkten. So reduzierte er die mehr zeitbedingten Umstände der mittelalterlichen Aufführungspraxis zugunsten einer verinnerlichten und individuellen Gestaltung: Statt der durchgehend männlichen Besetzung aller Rollen werden heute weibliche Darsteller für weibliche Rollen eingesetzt. Die früher einheitliche Mönchsgewandung aller Spieler musste einer farblich differenzierten, rollenspezifischen und individuellen Kostümierung der Spieler weichen. Auch auf Masken und auf die monotone Art des skandierenden Textvortrages wird heute verzichtet.

 

An ihrer Stelle ist eine holzschnittartige Einfachheit der Darstellung getreten. Und vor allem durch die Beibehaltung des Dialektes – für einen Ruhrge-bietler oft keine geringe Hürde – kann die urwüchsige Kraft und Gemüt-haftigkeit der Spiele ihre eindrückliche Wirkung entfalten. Gelegentliche Versuche Unkundiger, die Sprache dieses Dialektes zu „verhochdeutschen“, haben sich bis heute als vergebliche Mühe erwiesen. Diese Bilder, diese Sprachklänge und die Innigkeit es Ausdrucks sind nicht ins Hochdeutsche übertragbar, ohne den Spielen Gewalt anzutun.

 

Das eindrucksvollste Symbol dieser Spiele aber ist die aus der mittelalterlichen Tradition übernommene Gestalt der Bühne: Der ganze Bühnenraum bildet die Welt im Kleinen ab, sodass diese von Anfang bis Ende in ihrer Gesamtheit überschaubar bleibt. Rechte und linke Bühnenseite gelten als Orte für Himmel und Hölle, Vordergrund und Bühnenmitte als neutraler Schauplatz göttlich-menschlichen Handelns; und alle Spieler sind während des ganzen Spieles auf der Bühne anwesend, die „bösen“ auf der linken, die „guten“ auf der rechten Seite der Bühne. Von dort aus treten sie in Aktion, wenn ihre Zeit gekommen ist – so wie wir, eingebunden in die Weltenmächte des Guten und Bösen, die Bühne des Lebens betreten und diese nach vollbrachter Arbeit auch wieder verlassen, wenn die Zeit zur Erfüllung neuer Aufgaben gekommen ist.

 

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