Drei Schulen unter einem Dach - das Essener Konzept des gemeinsamen Lernens

Gemeinsames Lernen von Schülern unterschiedlicher Begabungen ohne Notenselektion und Diskriminierung war von Beginn an ein Merkmal der Waldorfpädagogik. Schon mehr als 30 Jahre vor der Verabschiedung der UN-Resolution über die Rechte von Menschen mit Behinderungen war es deshalb auch den bei der Gründung der Essener Waldorfschule beteiligten Lehrern und Eltern ein Anliegen, dass in naher Zukunft Kinder und Jugendliche mit und ohne Behinderungen auf einem gemeinsamen Gelände unterrichtet würden. Aus diesem Gründungsimpuls sind inzwischen drei Schulzweige in unmittelbarer Nachbarschaft entstanden: die Rudolf-Steiner-Schule als Gesamtschule eigener Prägung, die Parzival-Schule als Förderschule mit den Schwerpunkten emotionale Entwicklung und Lernen und der Heliand-Schulzweig als Förderschule mit dem Schwerpunkt geistige Entwicklung.

 

Die räumliche Nähe bietet SchülerInnen und LehrerInnen viele Vorteile. Die SchülerInnen haben jederzeit die Möglichkeit, sich im gemeinsamen Alltag ganz selbstverständlich zu begegnen und wahrzunehmen. Räume und Fläche werden gemeinsam genutzt, Feiern gemeinsam gestaltet, einzelne Unterrichte und Projekte gemeinsam durchgeführt, wie die Gartenbauepoche der 3. Klassen, der Handarbeitsunterricht der 4. Klassen, die „Olympischen Spiele“ im Sportunterricht der 5. Klassen und der klassenübergreifende Schulzirkus „Campanello“. Allerdings zeigt die praktische Erfahrung, dass ein gemeinsamer Unterricht von Schülern mit und ohne Behinderung auch als belastend erlebt werden kann. Schulängste und Minderwertigkeitsgefühle gerade bei schwächeren Schülern können die Folge sein. Aus Ländern, in denen zum Teil aus Kostengründen ein durchgängiger gemeinsamer Unterricht schon länger praktiziert wird, sind solche Erscheinungen bekannt und haben dazu geführt, dass teure private Förderschulen eingerichtet wurden, um Schüler aus wohlhabenden Familien, die im staatlichen Schulsystem überfordert wären, aufzufangen.

 

Wir sind deshalb der Überzeugung, dass es bei der gleichberechtigten Förderung jedes Schülers zwar einerseits darum gehen muss, räumliche Nähe von behinderten und nicht behinderten Schülern zu schaffen und gemeinsame Erlebnisse und Lernerfahrungen anzubieten. Andererseits muss aber auch jedem Schüler und jeder Schülerin ein angstfreies und erfolgreiches Lernen ermöglicht werden. Das Essener Modell der „Drei Schulen unter einem Dach“ bietet die auch unter Waldorfschulen einmaligen Voraussetzungen dafür, beiden Herausforderungen gerecht zu werden.