Als Freie Waldorfschule unterscheiden wir uns in vielen Bereichen von einer staatlichen Schule. Auf den folgenden Seiten erfahren Sie, was es konkret bedeutet, wenn eine Schule ihre SchülerInnen laut Rudolf Steiner „in Ehrfurcht aufnehmen, in Liebe erziehen und in Freiheit entlassen“ will.
Wir laden Sie herzlich ein, unsere drei Schulzweige zunächst bei einem Rundgang kennen zulernen.
Drei Schulzweige mit einem gemeinsamen Ziel
Die Freie Waldorfschule Essen wurde 1972 als Waldorfschule gegründet. Inzwischen vereinen wir drei Schulzweige unter einem Dach. Das Besondere an unserer Schule sind unter anderem Orte und Einrichtungen, die es an vielen anderen Schulen nicht gibt: ein sehr gut ausgestattetes Werkstattgebäude, drei Schulgärten und Gewächshäuser, eine Lederwerkstatt, Töpfereien, drei Theatersäle, eine Offene Ganztagsschule, Turnhallen, einen EDV-Raum u. a.
Das weitläufige, 65.000 qm große Außengelände bietet mit seinen Sportanlagen, Nutzgärten, Biotopen und insgesamt viel Grün zahlreiche Anregungen für Aktivitäten jenseits des planmäßigen Unterrichts. Unseren Schülerinnen und Schülern bieten sich also viele Möglichkeiten, unter Anleitung, aber gleichzeitig altersgerecht selbstständig neben ihren geistigen Fähigkeiten auch ihre praktischen und künstlerischen Begabungen zu entwickeln und auszubilden. Unser Ziel ist es, dass sie unsere Schule als selbstständige und selbstbewusste Persönlichkeiten verlassen.
Der Rahmen für die freie Entfaltung
Die besondere Berücksichtigung der architektonischen Gestalt unserer Schulgebäude hat eine lange Tradition innerhalb der Waldorfpädagogik. Sie beruht auf der Einsicht, dass die Umsetzung von Innen- und Außenräumen, der Umgang mit Materialien, Farben und Licht einen großen Einfluss auf unser Wohlbefinden haben – und dass sie auf Kinder und Jugendliche eine gleichermaßen anregende, ausgleichende und fördernde Wirkung ausüben können und sie in einer wichtigen Phase ihres Lebens entscheidend prägen.
Die bauliche Entwicklung unserer Schule hat eine lange Tradition. Unsere heute fünf Schulgebäude wurden in den Jahren zwischen 1972 bis 2010 errichtet. Erklärtes Ziel war es zu jedem Zeitpunkt, eine atmosphärisch einladende und anregende Lernumgebung für unsere SchülerInnen zu schaffen.
Das vielfältige Spiel mit architektonischen Grundformen wie Kreis und Gerade, Fünf- und Siebeneck sowie die Integration von Freiflächen ist ein anschauliches Beispiel dafür.
Die ersten Schulgebäude zeigen vor allem die waldorftypischen imposanten Dachkonstruktionen. In späteren Jahren stand mit begrünten Dächern und großen Fensterflächen der Anspruch einer nachhaltigen und ökologischen Bauweise im Mittelpunkt. Im Werkstattgebäude und in der Offenen Ganztagsschule wurde aus diesem Grund eine Solaranlage realisiert und eine Pelletheizung eingebaut.
Die SchülerInnen entwickeln sich während ihrer gesamten Schulzeit in der stabilen sozialen Gruppe ihrer Klassengemeinschaft. Durch eine langjährige Klassenlehrerzeit werden sie täglich und kontinuierlich betreut. So entsteht ein auf Beziehungen gegründetes und Vertrauen bildendes Lernklima.
Da es an unserer Schule kein Sitzenbleiben gibt, können unsere SchülerInnen ihre komplette Schullaufbahn unterbrechungsfrei von Klasse 1 bis 12 (bzw. Klasse 13 in der Rudolf-Steiner-Schule) bei uns absolvieren. Die einzige Ausnahme bildet der Übergang in die Klassen 12 und 13 der Rudolf-Steiner-Schule. Hier gelten besondere Zugangsbedingungen.
Unsere LehrerInnen gestalten ihre Unterrichtsinhalte eigenverantwortlich unter Berücksichtigung der aktuellen Rahmenlehrpläne der Waldorfpädagogik sowie der Anforderungen der staatlichen Schulabschlüsse. Praktische, wissenschaftliche und künstlerische Kenntnisse und Fertigkeiten werden an unserer Schule intensiv im Epochen- und Fachunterricht vermittelt und gefördert.
Im drei- bis vierwöchigen Epochenunterricht werden je nach Entwicklungsstand der Kinder in allen Schulzweigen folgende Fächer unterrichtet: Deutsch, Mathematik, Biologie, Chemie, Physik, Erdkunde, Formenzeichnen, Sach- und Heimatkunde, Geschichte, Kunstgeschichte, Bildhauerei, Malen und Zeichnen. Darüber hinaus wird in den verschiedenen Jahrgängen auch eine Reihe von Praktika als Epoche durchgeführt. Auch die Klassenspiele in Klasse 8 und 12 werden in einer Epoche vorbereitet.
Im fortlaufend durchgeführten Fachunterricht werden folgende Fächer unterrichtet: Englisch (an der Rudolf-Steiner-Schule darüber hinaus auch Russisch (ab Klasse 1 bis Klasse 9) und Spanisch ab Klasse 10, Handarbeit, Gartenbau, Werken, Musik, Eurythmie, Sport, Malen, Mathematik, Religion und in den beiden Förderschulzweigen praktisch orientierte Lernbereiche wie Hauswirtschaft und Kochen.
Ein großes Angebot an zusätzlichen Aktivitäten bietet den SchülerInnen außerdem viele Möglichkeiten, sich ihren individuellen Interessen entsprechend auszuprobieren und weiterzuentwickeln.
Der Lehrplan der Waldorfschulen ist auf das gesamte Spektrum der seelischen und geistigen Veranlagungen und Begabungen der Kinder und Jugendlichen ausgerichtet. Deshalb werden vom ersten Schuljahr an die mehr sachbezogenen Unterrichtsgebiete gleichberechtigt durch einen vielseitigen künstlerischen Unterricht ergänzt. Dieser fördert die für den einzelnen Menschen und die Gesellschaft wichtigen schöpferischen Fähigkeiten und Erlebniskräfte.
Die Schülerinnen und Schüler erhalten an unserer Schule bis zur 9. Klasse keine Noten sondern Textzeugnisse, die ihre Leistungen beschreiben und beurteilen. Erst ab der 10. Klasse vergeben wir zu den Textzeugnissen auch Notenzeugnisse.
An unserer Schule können, je nach Schulzweig, verschiedene staatliche Abschlüsse erworben werden: der Hauptschulabschluss, die Mittlere Reife, die Fachhochschulreife und – nach dem 13. Schuljahr – die allgemeine Hochschulreife als Zentralabitur.
Unsere speziellen Angebote zur Förderung der wissenschaftlichen, praktischen und künstlerischen Fähigkeiten versuchen wir weitgehend in den normalen Unterricht zu integrieren.
Theateraufführungen in der 8. und 12. Klasse sind obligatorisch. In der Rudolf-Steiner-Schule hat sich außerdem in einigen Jahrgängen eine musikalische Aufführung der 6. Klasse etabliert. Unseren SchülerInnen steht die Teilnahme an mehreren Chören und Orchestern offen. Buchbinden, Kupfertreiben, Korbflechten, Kartonage, Malen und Plastizieren sind Bestandteile des Unterrichts. Weitere Angebote zur kulturellen und sozialen Bildung wie z. B. Ausstellungs- und Theaterbesuche, Exkursionen und Umweltaktionen runden das breite Spektrum an Möglichkeiten ab.
Der organisatorische Rahmen für persönliche Entfaltung
Die Freie Waldorfschule Essen ist Teil einer weltweiten Schulbewegung, die das Recht eines jeden Kindes auf die individuelle Entfaltung seiner Entwicklungsmöglichkeiten verwirklichen möchte. Die Waldorfpädagogik orientiert sich daher an den Gesetzmäßigkeiten der menschlichen Entwicklung.
Als Ausdruck der Wertschätzung aller Kinder mit ihren jeweils unterschiedlichen Begabungen bilden die Schulzweige der Freien Waldorfschule Essen eine Bündelschule, die aus der Rudolf-Steiner-Schule (Waldorfregelschule), der Parzival-Schule (Waldorfförderschule für emotionale und soziale Entwicklung und Lernen) und dem Heliand-Zweig (Waldorfförderschule für geistige Entwicklung) besteht. Alle drei Schulzweige arbeiten inhaltlich, personell und strukturell zusammen.
Ungestört den eigenen Lebensweg finden
Unsere Zivilisation und die Zeit, in der wir leben, bieten der Entwicklung von Kindern und Jugendlichen zahlreiche Chancen und Freiräume. Werden sie nicht angemessen genutzt, können diese aber auch zu ernsthaften Gefahren werden. Der ursprünglichen Sehnsucht eines Kindes, auf seinem Weg ins Leben individuell verstanden und begleitet zu werden, stehen heute die gesellschaftliche Ausrichtung auf Konsum und eine Infragestellung und Aufhebung von allgemeinen Werten und Lebenssicherheiten gegenüber.
Eine besondere Herausforderung der zunehmend elektronischen Kommunikation ist es auch, die unmittelbaren Formen mitmenschlicher Begegnung nicht aus den Augen zu verlieren. Denn der Weg zur freien Gestaltung der eigenen Lebenswirklichkeit verläuft durch einen Dschungel an Ablenkungen von individuell bedeutsamen Lebensaufgaben und Verführungen zu verschiedensten Abhängigkeiten.
Wegbegleiter der individuellen Entwicklung
Die Mitarbeiter der Freien Waldorfschule Essen sehen es als ihre Aufgabe, Kinder und Jugendliche auf ihrem Weg zu begleiten, ihren Lebensmut und ihre Lebenskraft zu stärken und ihr Vertrauen in die Entwicklungsfähigkeit des eigenen Denkens, Empfindens und Handelns zu fördern. Den Schülern soll vor allem die reelle Begreifbarkeit der Welt sowie ihre handwerkliche, technische, künstlerische und soziale Gestaltbarkeit im Sinne menschlicher Ziele vermittelt werden. Im Rahmen unserer schulischen Erziehungsaufgabe wollen wir den harmonisierenden Ausgleich individueller Einseitigkeiten und auffälliger Tendenzen im Lern- und Sozialverhalten anregen.
Je nach Bedürfnis der SchülerInnen wird der Unterricht um weitere Angebote ergänzt. Darüber hinaus bietet die Schule auch therapeutische oder heilpädagogische Maßnahmen an.
Erziehung schafft so die Grundlage für die Bereitschaft zu lebenslangem Lernen, für die Einsicht, dass Handeln Konsequenzen sowohl für das eigene Leben als auch für die ganze Welt hat, und für die Ausbildung von Fähigkeiten zur Entwicklung eigener Freiheit. Das Ziel unserer schulischen Erziehung und Bildung ist es, die Entwicklung jedes Schülers und jeder Schülerin zu einem wachen, verantwortlichen, tatkräftigen und sozialen Individuum zu ermöglichen.
Entwicklung und Erkenntnis auch auf LehrerInnenseite
Die eigene Bereitschaft zu Entwicklung, Selbsterziehung und Initiativkraft der Lehrer ist für uns die unverzichtbare individuelle Quelle der pädagogischen Arbeit. Orientierung bietet dabei das Menschenbild der Anthroposophie Rudolf Steiners, das den Menschen als ein erkennendes und im Selbsterkennen zur Entwicklung seiner Freiheit veranlagtes Wesen charakterisiert.
Die tägliche Arbeitsgrundlage unseres Kollegiums ist das Bemühen um einen lebendigen Austausch zwischen dem ideellen Leitbild und dem Schulalltag. Die Aufgabe der Waldorfschule fordert von jedem pädagogischen Mitarbeiter eine gewissenhafte Selbstprüfung, das Bemühen um Bewusstseins- und Erkenntnisbildung im Sinne der ideellen Quellen und schließlich das Handeln aus eigener Erkenntnis.
Kollegiale Zusammenarbeit und Selbstgestaltung
Die Mitarbeiter der Freien Waldorfschule Essen arbeiten in pädagogischen Fragen und den schulischen Gremien kollegial zusammen. Das wesentliche Prinzip der Zusammenarbeit ist die Selbstgestaltung der Schulgemeinschaft in Eigenverantwortung und Offenheit.
Daraus ergeben sich auch die Formen der schulischen Selbstverwaltung, die miteinander geübt und ausgeübt werden. Wesentlich für das Gelingen dieser Aufgabe ist dabei das Zusammenwirken von Mitarbeitern, Eltern und Schülern.
Unsere waldorfpädagogische Gesamtkonzeption
Folgende schulzweig-übergreifenden, aus unserem Kernleitbild abgeleiteten Merkmale sind wesentliche Elemente unserer pädagogischen Gesamtkonzeption: Wir halten einen Bildungsgang aus zwölf aufeinander aufbauenden Jahrgängen nach wie vor für die notwendige Rahmenbedingung eines angemessenen In-sich-selbst- und In-die-Welt-Wachsens junger Menschen. Die Kontinuität einer sozial und leistungsmäßig heterogenen Klassengemeinschaft spielt hier ebenfalls eine große Rolle.
Der Lehrplan wird in erster Linie auf der Grundlage der anthroposophischen Menschenkunde gestaltet. Das bedeutet, dass die entsprechenden Unterrichtsinhalte aus dem Stoff hervorgehen, an dem sich die Kinder und Jugendlichen in ihrer jeweiligen Lebensphase entwickeln und orientieren können. Erarbeitet vom Lehrerkollegium und der Impulsgruppe „Wege zur Qualität“.
Die Freie Waldorfschule Essen ist eine Schule besonderer pädagogischer Prägung in nichtstaatlicher Trägerschaft des Vereins Freie Waldorfschule Essen e.V. Die Mitglieder des Vereins sind die Eltern und Lehrkräfte der Schule.
Das Grundgesetz garantiert in Artikel 7.4 die Errichtungsfreiheit von Schulen in nichtstaatlicher Trägerschaft – vom Gesetzgeber als „private Ersatzschulen“ bezeichnet – und legt gleichzeitig fest, dass der Staat die Existenz dieser Schulen durch Zuschüsse zu sichern hat.
In Nordrhein-Westfalen wird diese Bezuschussung durch die sogenannte „Ersatzschulfinanzierungsverordnung“ geregelt. Darin wird im Grundsatz festgelegt, dass Ersatzschulen Anspruch auf Bezuschussung zu solchen Ausgaben haben, die an vergleichbaren staatlichen Schulen entstehen. Diese vergleichbaren Kosten werden in der Regel zu 87 % erstattet. Die verbleibenden 13 %, der sogenannte Eigenanteil, müssen vom Schulträger aufgebracht werden, in unserem Fall also von den Eltern. Kosten, die im Zusammenhang mit unserem pädagogischen Profil entstehen – z. B. bei der Einrichtung der Gebäude – werden nicht bezuschusst. Es handelt sich dabei um so genannte frei finanzierte Kosten.
Da es für Schulen in nichtstaatlicher Trägerschaft im Gegensatz zu staatlichen Schulen keine direkten Baukostenzuschüsse gibt, muss das Eigenkapital für Bauvorhaben ebenfalls durch die Elternschaft aufgebracht werden.
Soziale Durchlässigkeit durch einkommensabhängige Elternbeiträge
Die finanziellen Verpflichtungen, die sich mit der Wahl einer Schule in Eltern-Trägerschaft ergeben, gelten grundsätzlich für jeden. Wir möchten jedoch jedem Kind, unabhängig von den Einkommensverhältnissen der Eltern, den Besuch an unserer Schule ermöglichen. Die Kriterien für die Aufbringung der notwendigen Mittel zur Deckung der Beiträge zur Trägereigenleistung sind daher in der von Eltern erarbeiteten Beitragsordnung geregelt.
Wie hoch der individuelle Beitrag ist, wird im persönlichen Gespräch festgelegt. Als Solidargemeinschaft achten wir dabei auf eine individuell zumutbare Beteiligung an der Aufbringung der Schulbetriebskosten.
Die Finanzierung von Schulen in nichtstaatlicher Trägerschaft
Im Unterschied zu öffentlichen Schulen ist die Freie Waldorfschule Essen eine Schule besonderer pädagogischer Prägung in nichtstaatlicher Trägerschaft.
Für ihre Finanzierung bedeutet das, dass nur ein Teil der laufenden Schulbetriebskosten von staatlichen Zuschüssen gedeckt wird. Alle darüber hinaus gehenden Kosten werden von den Eltern im Wesentlichen in Form regelmäßiger Beiträge zu den Schulbetriebskosten getragen.
Andere laufende Kosten, die in den einzelnen Klassen für Lehrmittel, Feste, Ausflüge und Ähnliches anfallen, werden aus den dort geführten Klassenkassen beglichen.
Die Selbstverwaltung ist eines der charakteristischen Merkmale, das die Freie Waldorfschule Essen vor allem von staatlichen Schulen unterscheidet. Als Freie Schule haben wir, wie alle anderen Freien Waldorfschulen auch, die Außenlenkung der staatlichen Schulen durch eine eigene, freiheitliche Verfassung ersetzt.
Die Organe der Selbstverwaltung: Gremien, Kreise, Delegierte
In der praktischen Umsetzung erfolgt die Selbstverwaltung durch die Eltern, die LehrerInnen und die MitarbeiterInnen gemeinsam. Je nach Aufgabenstellung und Zuständigkeit werden dafür eine Reihe von Gremien und Kreisen gebildet.
Außerdem werden Delegierte benannt, die in vertrauensvoller und transparenter Zusammenarbeit die ihnen übertragenen Aufgaben wahrnehmen.